Weinstadt Rauenberg

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Hirsch-Wirt Joseph Schneider

Einer der Protagonisten der Revolution in Rauenberg, der Hirsch-Wirt Joseph Schneider, ging sogar in den Sagenschatz ein:

Eine Spinne soll ihm das Leben gerettet haben, indem sie ihr Netz über das Fenster der Annakapelle gewoben hat, hinter dem sich der Hirsch-Wirt in einem Strohbündel verbarg.

Die preußischen Soldaten hatten auf eine genaue Durchsuchung der Kapelle verzichtet, nachdem sie die Spinnweben bemerkt hatten.

Wenn jemand dahinter steckte, hätte er ja das Netz zerrissen, meinten sie.

So konnte Joseph Schneider entkommen. Ein früherer Knecht soll ihn am nächsten Tag in ein leeres Weinfass gesteckt und in seiner Fuhre über die Rheinbrücke in die Pfalz geschmuggelt haben.

Der Hirsch-Wirt scheint im Übrigen eine durchaus schillernde Persönlichkeit gewesen zu sein. In der Chronik eines Rauenberger Zeitgenossen steht jedenfalls zu lesen, über Schneiders Wahl zum Bürgermeister habe sich "jeder gute Bürger sogar auswärtig geärgert, weil er allgemein als ein Aufwiegler bekannt war."

"Zum Glück", fährt der Chronist fort, "dauerte die Herrlichkeit nicht länger als 8 Tag. Denn als die Breisen (die Preußen) am 23. (Juni) nach Wießloch kamen wurde der Amtmann Bleibimhaus wieder eingesetzt, der den rebellischen Schneider absetzte."

Großen Kriege der Geschichte ziehen vorüber

Danach zogen die großen Stürme der Geschichte an Rauenberg zumeist vorüber.

Erster Weltkrieg, Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg: All diese Katastrophen machten auch die Menschen in Rauenberg durch.
Aber die Brennpunkte des Geschehens lagen doch anderswo.

Mit einer Ausnahme vielleicht: Im Frühjahr 1942 kam es zu einem Aufruhr in Rauenberg, in dessen Folge zahlreiche Frauen und Männer aus der Weinstadt wegen Landfriedensbruchs angeklagt und zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden.

Was war geschehen? Rauenbergs damaliger Pfarrer August Meier hatte den so genannten "Möldersbrief" von der Kanzel verlesen, in dem sich scheinbar der berühmte, tödlich verunglückte Jagdflieger Mölders kritisch zu dem NS-Regime äußerte.

Der Brief war zwar eine Fälschung des britischen Geheimdienstes, der Inhalt war nichtsdestoweniger begründet und wurde auch für wahr gehalten.

Die Gestapo bekam Wind von der Sache, verhaftete den Rauenberger Pfarrer und löste damit eine ungeahnte Reaktion aus: Hunderte von Rauenbergern, zumeist Frauen, versammelten sich vor dem Rathaus, verlangten die Freilassung des Pfarrers und bedrängten örtliche NS-Offizielle.

NS-Ideologie

Ein mutiger Akt in Zeiten der Diktatur. Und er kam auch nicht ganz von ungefähr.

Denn Rauenberg war schon immer durch und durch katholisch gewesen.

Und gerade das katholische Milieu blieb (neben der organisierten Arbeiterschaft) lange Zeit am stärksten resistent gegen die NS-Ideologie.

Noch im März 1933, als Hitler bereits an der Macht war und es schon keine freie Wahl mehr gab, erreichte das katholische Zentrum in Rauenberg bei der Reichstagswahl knapp 70 Prozent der Stimmen, während die Nazis nur auf 20 Prozent kamen.

Offenbar haben sich viele Rauenberger auch später noch diese Vorbehalte gegen das NS-Regime bewahrt.

Dessen unwiderrufliches Ende kam 1945. Noch einmal brachen in Rauenberg schwere Zeiten an - vor allem als es galt, die vielen Flüchtlinge unterzubringen.

Aber nach wenigen Jahren war die Talsohle durchschritten und es begann die Zeit eines steten Aufschwungs. Das spiegelt sich in den Einwohnerzahlen Rauenbergs, die von 2.600 im Jahr 1950 auf über 3.400 im Jahr 1970 anstiegen.

Heute (nach den Eingemeindungen Malschenbergs und Rotenbergs) zählt die Weinstadt rund 7.400 Einwohner. Allein in den letzten zehn Jahren hat die Stadt knapp 1.000 neue Bürger hinzugewonnen - ein schlagender Beweis für die Attraktivität der Weinstadt als liebenswerte Wohngemeinde.

Gewerbestandort Rauenberg

Aber auch der Gewerbestandort Rauenberg ist mit seinen über 1.200 Arbeitsplätzen nicht zu unterschätzen - auch wenn es manche der alten Industrien heute nicht mehr gibt.

Das gilt für die Zigarrenfabrikation, die von 1846 an über ein Jahrhundert lang der größte Arbeitsplatzlieferant in Rauenberg war.

Das gilt inzwischen aber auch für die Ziegelei, die (seit ihrer Gründung durch Berthold Bott im Jahr 1878) 125 Jahre lang ein fester Bestandteil des Rauenberger Ortsbilds war, bis die Fabrikgebäude dieser Tage abgebrochen worden sind.

Was indes geblieben ist durch all die bewegten Zeitläufe hindurch, das ist der Weinbau. Schon für das Jahr 1330 ist er urkundlich belegt. Und bis auf den heutigen Tag prägt er Land und Leute rund um den Mannaberg.

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Weitere Informationen

Info

Eine unerschöpfliche Fundgrube für diesen Artikel war die soeben erschienene Rauenberger Orts-Chronik:
Konrad Dussel, Rauenberg, Aus mehr als 700 Jahren Geschichte, 448 Seiten, mit 267 zum Teil farbigen Abbildungen, Verlag Regionalkultur, Heidelberg/Ubstadt-Weiher/Basel, 2003.

Preis: 25,00 EUR.

Haus der Geschichte BW

Das Haus der Geschichte BW beschäftigt sich mit der Geschichte von Baden, Württemberg und Hohenzollern seit 1800.

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